Eine entscheidende Wende

Seit langer Zeit ist es meine Gewohnheit, jedes Jahr fortlaufend die gesamte Bibel zu lesen. Dabei wurde ich vor einigen Wochen besonders auf die bemerkenswerte Veränderung aufmerksam, die in Jakobs Leben von Bethel nach Pniel geschah (siehe 1 Mo 28,10-22; 32,24-30).

Diese einschneidende Änderung lässt sich beschreiben als der Wechsel von Kampf zu Kapitulation und von Ungebundenheit zu Abhängigkeit, als die Wende von dem Verlangen, gesegnet zu werden, zu dem Anliegen, andere zu segnen. Biblische Persönlichkeiten, die gerade diese Haltung verkörpern, sind u.a. Boas und Barsillai, Barnabas und Kornelius. Doch insbesondere Jonathan liefert ein eindrückliches Beispiel dafür, welchen Segen es anderen (vgl. David) bringen kann, wenn man in sich selbst ruht und daher selbstlos und ohne versteckte Agenda in die Beziehung zu anderen Menschen investieren kann.

Niemand jedoch war so umfassend darauf aus, ein Segen für sein Umfeld zu sein, wie Jesus Christus. Gleich zu Beginn Seiner öffentlichen Wirksamkeit wies Er mit den Seligpreisungen der Bergpredigt darauf hin, worin wahrer Segen besteht. In der Folgezeit diente Er dem Wohl der Menschen vielfältig durch Vorbild, Lehre und Gebet, durch Seelsorge, Krankenheilungen und Befreiungsdienst. Auch sollte nicht übersehen werden, dass Seine letzte Handlung auf Erden eben darin bestand, Seine Jünger zu segnen.

Es ergibt sich die Anfrage, in welchem Verhältnis zueinander das selbstbezogene Verlangen, gesegnet zu werden, und das selbstlose Anliegen, andere zu segnen, bei uns stehen. Benötigen wir vielleicht erst einmal eine Wende wie Jakob, oder sind wir schon frei wie Jonathan, uns Jesus-ähnlich segnend in unsere Mitmenschen zu investieren?

(Copyright © Dr. Günter Krallmann, 2021)