Wozu reicht der richtig coole Mantel?

Es gibt Menschen, die durch ihren Stil fast zu einer Marke geworden sind. Andy Warhol, Karl Lagerfeld oder Joseph Beuys gehören für mich dazu. In der Bibel scheint auf den ersten Blick für Stilikonen kein Platz zu sein.

Gäbe es da nicht Johannes den Täufer.

Von dem weiß alle Welt, dass er neben wildem Honig auch wilde Insekten aß. Dazu passend: ein Gewand aus wildem Kamelhaar. Was Petrus und Paulus aßen? Man darf mutmaßen.

Doch gehören Honig, Heuschrecken und Haare vom Kamel gleichsam zur Persönlichkeit und Lebensbild des Mannes, der als der Täufer weltweit zur Legende wurde.

Johannes hatte keine Empfehlung der etablierten Kirchenleitung. Und weder die Regierung noch die Bildungsgurus seiner Zeit hatten ihn zum Experten ernannt. Und dennoch: die Menschen nahmen gewaltige Wege in Kauf, um den Täufer zu sehen und zu hören. Heute fragen viele Menschen, was Gott für sie tun könnte. Das Wüstenpublikum von Johannes fragte, was sie selbst denn tun sollten. Diese Menschen blieben nicht bei Absichtserklärungen oder Bekenntnissätzen stehen.

Der Mann wirkte äußerlich derartig auffällig, dass Kleidung und Nahrungsgewohnheiten in der Bibel beschrieben werden. Es war einfach nicht zu übersehen! Aber die Menschen kamen nicht zur Stil- oder Ernährungsberatung. Sie wollten wissen, wie sie leben sollten. Wäre es nicht wunderbar, wenn die Menschen meiner Umgebung wüssten, dass ich Wesentliches zu sagen habe und das auch hören wollen.

Meine Erfahrung lehrt mich, dass das richtig coole Outfit mir Ansehen bei den richtig falschen Menschen verschafft. Für alles andere brauche ich Integrität. Davon muss Johannes der Täufer eine Menge gehabt haben.

(© Copyright Tom Laengner, 2022)